Head Icon Head Icon Head Icon Head Icon

Wissenswertes

Generalisierte Angststörung – Facetten eines Krankheitsbildes

Generalisierte Angststörung – Facetten eines Krankheitsbildes


Historisch gesehen stellt die generalisierte Angststörung nach Abgrenzung der Panikstörung eine Restkategorie der ehemaligen Angstneurose dar. Durch Operationlisierung wird die Erkrankung präziser fassbar. Die ICD-10 beschreibt die generalisierte Angststörung als eine mindestens 6 Monate anhaltende und generalisierte, unrealistische bzw. übertriebene Angst und Besorgnis verbunden mit deutlich erhöhter muskulärer Anspannung. Die Betroffenen sind von ängstlicher Sorge über zukünftiges Unglück bzw. entsprechenden Vorahnungen eingenommen. Weitere vegetative Symptome bestehen in leichte Ermüdbarkeit, Ruhelosigkeit, Konzentrationsstörungen, Reizbarkeit und gestörtem Nachtschlaf. Die generalisierte Angststörung beginnt im Gegensatz zur Panikstörung langsam. In Hausarztpraxen stellt die Störung den zweithäufigsten psychischen Konsultationsgrund dar und wir sehr häufig nicht erkannt. Die Lebenszeit-Prävalenz liegt bei etwa 5%. Frauen sind doppelt so häufig als Männer betroffen. Ein erster Häufigkeitsgipfel der Erkrankung liegt knapp unter 20 Jahren, ein zweiter zwischen dem 30. und 35. Lebensjahr. Ca. 90% der Betroffenen leiden an einer weiteren psychischen Störung. Am häufigsten sind depressive Störungen mit 67%. Es besteht eine deutliche Überlappung des Symptomspektrums einerseits und andererseits stellt das Vorliegen einer generalisierten Angststörung ein erheblich erhöhtes Risiko für die spätere Entwicklung einer depressiven Störung dar.

Weitere häufig komorbid auftretende psychische Störungen sind die Panikstörung (55%), soziale Phobie (42%) sowie Substanzmißbrauch bzw. -abhängigkeit (50%, Alkohol bzw. Medikamente). Von Bedeutung sind die komorbid häufigen kardialen, und gastrointestinalen Erkrankungen und deutlich häufiger bestehende Migräne. Die verhaltenstherapeutische Behandlung der generalisierten Angststörung umfasst Informationsvermittlung über die Störung und Kreislauf der Angst, Übungen zur verbesserten Selbstbeobachtung Wahrnehmungsübungen im Hier-und-Jetzt, progressive Muskelentspannung, Konfrontation mit den ständigen Sorgen sowie die Einbeziehung kognitiver Techniken (kognitive Umstrukturierung). Die Behandlungsergebnisse sind aber im Vergleich zur Panikstörung mit bzw. ohne Agoraphobie noch unzureichend. Remissionsraten liegen bei etwa 50%.

Die medikamentöse Behandlung konzentrierte sich viele Jahre auf den Einsatz trizyklischer Antidepressiva wie Imipramin, Doxepin bzw. Amitryptilin oder Opipramol. Die Wirksamkeit von SSRI wie Paroxetin und dem dualen Noradrenalin- und Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer Venlafaxin sind belegt. Bei der medikamentösen Behandlung ist zu bedenken, dass der Anteil der remittierenden Patienten mit der Dauer der Behandlung deutlich ansteigt. In einer Langzeitstudie unter Paroxetin waren nach 4 Wochen 40% und nach 7 Monaten 70%. Aktuelle Studienergebnisse zeigen ferner für das Antiepileptikum Pregabalin ebenfalls überzeugende Wirkung bei der generalisierten Angststörung, die vergleichbar mit der von Lorazepam, Alprazolam und Venlafaxin einzuschätzen ist. Auch für das dual wirksame Duloxetin konnte in aktuellen Zulassungsstudien eine deutliche Wirksamkeit nachgewiesen werden. Zusammenfassend stellt also die generalisierte Angststörung eine häufige, fast immer komorbid mit anderen psychischen Störungen auftretende chronifizierende Erkrankung dar, die möglichst früh erkannt und behandelt werden sollte. Die medikamentösen Behandlungsoptionen haben sich in den letzten Jahren erheblich erweitert und bieten den Betroffenen nachhaltige Hilfe.

Autor: Prof. Dr. Dr. Stephan Volk

Head Icon Head Icon

"Alles wirkliche Leben ist Begegnung."

 

Martin Buber, 1878 – 1965
österreichisch-israelischer Religionsphilosoph und Schriftsteller